Im Gespräch mit Abdallah Melaouhi, dem letzten Krankenpfleger von Rudolf Heß
Abdallah Melaouhi, geboren 1942 in Srai-Haidra, Tunesien, kam 1966 nach Deutschland. Nach erster beruflicher Tätigkeit als Diplom-Kaufmann machte er eine Ausbildung zum Krankenpfleger und später Anästhesiefachpfleger. Von 1982 bis zu dessen Tod war er der Pfleger von Rudolf Heß, den er täglich mehrmals sah. Bis zu seiner Verrentung 2002 arbeitete er im Spandauer Krankenhaus als Krankenpfleger. Wegen seiner Aktivitäten um die Aufklärung der Todesumstände von Rudolf Heß wurde er in den letzten Wochen aus zahlreichen ehrenamtlichen Ämtern herausgedrängt. In seinem jetzt erscheinenden Buch bricht er sein Schweigen und veröffentlicht zahlreiche unbekannte Gespräche, Fotos, Dokumente und Kassiber.
DS: Herr Melaouhi, in den vergangenen 14 Tagen waren Sie Objekt und Ziel zahlreicher politischer und publizistischer Kampagnen, die auch vor Beleidigungen und Unterstellungen nicht zurückschreckten. Wie erklären Sie sich diese Attacken?
Melaouhi: Vor über 20 Jahren wurde mein Patient Rudolf Heß in Spandau ermordet. Ich war der einzige Augenzeuge des Verbrechens. Zahlreiche juristische und medizinische Gutachten unterstützten später das, was ich gesehen hatte. Gemeinsam mit dem Sohn des ehemaligen Reichsministers, Wolf Rüdiger Heß, dem Verteidiger in Nürnberg und späteren bayerischen Innenminister Dr. Seidl sowie dem Pathologen Professor Dr. Wolfgang Spann versuchte ich 1988/89 fast erfolgreich, in der Öffentlichkeit die These vom angeblichen Freitod des Gefangenen zu widerlegen.
Weltweit wurden damals Zweifel an der offiziellen Version laut; damals war es auch noch möglich, daß ich Sendern wie der BBC oder dem CBS in langen Interviews erklären konnte, wie es sich tatsächlich zugetragen hatte, von Dutzenden von internationalen Zeitungen ganz zu schweigen.
Dennoch versandeten unsere Anstrengungen damals mit einem Schlag, als die britische Generalstaatsanwaltschaft die Weisung erhielt, diesbezügliche Untersuchungen einzustellen.
Im vergangenen Jahr stieß ich zufällig im Internet auf den Film »Geheimakte Heß«, in dem ein früheres Interview von mir so verarbeitet worden war, daß es tatsächlich meine Aussage unverfälscht widerspiegelte. Ich sah weiterhin, daß es Menschen gab, die erneut den Versuch machten, den Mord ins Bewußtsein der Menschen hier in Deutschland zu tragen, indem sie mit einem Lastwagen durch die Bundesrepublik fuhren.
Dabei stieß ich auch auf den Historiker Dr. Olaf Rose, mit dem ich nach einigen Recherchen schließlich Kontakt aufnahm. Bei der von mir angebotenen Durchsicht der zahlreichen unbekannten Dokumente und Kassiber schlug mir Dr. Rose spontan vor, meine Erinnerungen so ausführlich wie möglich schriftlich niederzulegen. Da mir dies auf Französisch einfacher erschien, erbot sich Herr Rose, das Buch ins Deutsche zu übersetzen und die handschriftlichen Briefe und anderen Zeugnisse von Rudolf Heß abzuschreiben und in ihren historischen Kontext zu stellen.
Als nun bekannt wurde, daß diese Kassiber, die ich 1986 im Auftrag und auf Wunsch des Gefangenen aus dem Gefängnis schmuggelte, veröffentlicht werden würden, stand ich plötzlich inmitten eines Trommelfeuer der Zeitungen, einem Gemisch aus Verdrehungen, Lügen, Verleumdungen und Anfeindungen.
DS: Was ist denn nun das Besondere an den Kassibern?
Melaouhi: Heß schreibt dort, er wisse, daß er auf »legale« Weise niemals entlassen würde. Und weiter: »Der einzige Weg, meine Freilassung zu erzwingen, ist die Veröffentlichung meiner Enthüllungen. Denn mit der Bekanntgabe meines Geheimnisses wird mein Festhalten sinnlos.«
Die Zeitungen, an die er sich damals wenden wollte, die FAZ oder Die Welt, haben seine Briefe entweder nicht erhalten oder nicht gedruckt. Die Briefe vom September/Oktober 1986 beweisen aber, daß er eben nicht lebensmüde war, sondern daß er mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln darum kämpfte, freigelassen zu werden. Scheinbar fürchten einige Leute die Enthüllung seiner Geheimnisse.
DS: Man hat Ihnen auch vorgeworfen, gemeinsam mit Herrn Dr. Rose, der ja im Mai diesen Jahres in den Parteivorstand der NPD gewählt wurde, Veranstaltungen und Vortragsabende gestaltet zu haben, die von der NPD organisiert worden seien. Was ist da dran?
Melaouhi: Herrn Dr. Rose habe ich Anfang des Jahres kontaktiert; damals war er noch in keine Parteifunktion gewählt worden. Ich habe mich deswegen an ihn gewandt, weil ich an dem Film »Geheimakte Heß« und an mehreren Publikationen feststellen konnte, daß ich es hier mit einem Fachmann auf dem Gebiet der Heß-Forschung zu tun hatte, der zudem aufrichtig an der Aufdeckung der Wahrheit interessiert war. Dr. Rose übersetzte mein Buch außerdem als Historiker in seiner Freizeit und nicht als Mitarbeiter der NPD.
Dies ist scheinbar den BRD-Medien nicht vermittelbar, obwohl es doch ganz einfach zu verstehen ist, denn ein CDU-Abgeordneter, der im erlernten Beruf Rechtsanwalt ist und während der Legislaturperiode weiterhin Mandanten vertritt, der vertritt diese nicht als CDU-Abgeordneter, sondern als Rechtsanwalt.
Was den Vorwurf betrifft, ich sei vor »rechtsradikalen« Kreisen aufgetreten, so kann ich nur antworten, daß ich über all dort bereit bin aufzutreten, wo man meine Zeugenschaft und meine Erlebnisse hören möchte. Mir ist nur wichtig, daß ich als freier Bürger in einem angeblich freien Land meine Meinung und die von mir vertretenen Argumente frei äußern kann, ohne beleidigt oder angepöbelt zu werden.
Der Sache wegen wäre es sogar wünschenswert, wenn Herr Dr. Rose und ich unseren Vortrag auch mal auf einer Versammlung der CDU, der SPD, der FDP oder sonst einer Partei halten könnten. Ich warte da auf Einladungen, damit man nicht über mich, sondern mit mir redet…
DS: Warum führen Sie Ihren Kampf für die Wahrheit im Falle Rudolf Heß so kompromißlos?
Melaouhi: Als Krankenpfleger von Rudolf Heß war ich am Ende auch die letzte Vertrauensperson. Ich tat aus humanitären Gründen alles, um das Leben dieses am Ende von so vielen Gebrechen gezeichneten Greises von allen Schikanen zu befreien und ihm so viel entgegenzukommen und zu helfen, wie nur irgend möglich.
Als Staatsbürger und als Freund habe ich die juristische und moralische Verpflichtung, zur Aufklärung dieses Verbrechens beizutragen. Dafür habe ich in den ersten Monaten nach der Tat Drohungen der Briten, telefonische Morddrohungen und einen fast tödlichen Autounfall ertragen. Was machen da schon der lächerliche und unbegründete Rauswurf aus dem Migrationsbeirat Berlin-Brandenburg und aus dem Migrations- und Integrationsbeirat Berlin-Spandau sowie die erzwungene Aufgabe meiner Ämter in der von mir gegründeten Tunesischen Vereinigung e.V., wenn es um die Wahrheit geht.
DS: Und was erwartet uns in Ihrem neuen Buch?
Melaouhi: Zunächst einmal 16 Seiten packendes Bildmaterial mit zahlreichen unbekannten Farbaufnahmen, fast 30 Seiten handschriftlicher Erklärungen und Enthüllungen von Rudolf Heß in Faksimile und Abschrift sowie viele kleine Geheimnisse des Alltags und aus Gesprächen, die ein ganz anderes Bild von Heß zeichnen als das, was in der Presse heute noch vorherrscht.
DS: Herr Melaouhi, wir danken Ihnen für dieses Gespräch und wünschen Ihnen viel Erfolg.
Melaouhi, Abdallah: Ich sah den Mördern in die Augen! - Die letzten Jahre und der Tod von Rudolf Heß, 224 S., 16 S. Fotos, über 30 Seiten unveröffentlichte Handschreiben von Heß, geb., 19,95 EUR (Art.-Nr. 104354)
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